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Einblicke in die molekulare Ha­lo­gen­brü­cke

Als Halogenbrücken (XBs) werden Wechselwirkungen zwischen einem schweren Halogenatom (XB Donor) und einem Nucleophil (XB Akzeptor) wie Stickstoff, Sauerstoff oder auch anderen Halogeniden bezeichnet. Dabei wird durch elektronenziehende Substituenten die Elektronenhülle des XB Donors so polarisiert, dass entgegengesetzt zum Substituenten ein positives Potential entsteht, welches σ-Loch bezeichnet wird. Durch diese starke Linearität, die sich aus der Donorelektronenpaar-σ-Loch-Wechselwirkung strukturell ergibt, finden sich viele Anwendungen der Halogenbrücken.

Dabei werden Halogenbrücken in der Organokatalyse, dem Crystal Engineering und der Wirkstoffentwicklung eingesetzt. Häufig spielen bei diesen Anwendungsfeldern eine Kombination aus mehreren Halogenbrücken und auch anderen Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrücken oder London-Dispersionskräfte eine wichtige Rolle. Eine isolierte Ha­lo­gen­brü­cke auf die genauen auftretenden Effekte vor allem an dem XB Akzeptor zu untersuchen, zeigt sich somit vielversprechend, um den Einfluss der Ha­lo­gen­brü­cke in den genannten Anwendungsfeldern besser einschätzen zu können.

Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich ein Zusammenschluss aus Chemikern der TU Dortmund, der Ruhr-Universität Bochum und der RWTH Aachen. Dabei wurden die molekularen Halogenbrücken des Iodbenzols und des 1,4-Diiodbenzols und Chinuclidin mit den jeweiligen perfluorierten XB Donoren verglichen. In einer umfangreichen experimentellen Studie bestehend aus experimentellen Elektronendichtestudien, 1D-NMR Titrationen und RAMAN-Spektroskopie konnte erstmalig eine Korrelation aus der Stärke der Ha­lo­gen­brü­cke und der Veränderung der elektronischen Situation am Elektronendonor experimentell nachgewiesen werden. Die Pub­li­ka­tion ist im aufstrebenden Open-Access-Journal ACS Omega erschienen.

Gauging the Strength of the Molecular Halogen Bond via Experimental Electron Density and Spectroscopy
F. Otte, J. Kleinheider, B. Grabe, W. Hiller, F. Busse, R. Wang, N. M. Kreienborg, C. Merten*, U. Englert*, C. Strohmann*
ACS Omega 2023, accepted.

Grafikillustration © AK-Strohmann​/​TU Dortmund
Abb. 1: Darstellung einer starken (links) und einer schwachen (rechts) Ha­lo­gen­brü­cke mit dem gleichen XB Akzeptor Chinuclidin sowie die zentralen Fragestellungen (Mitte), welche in unserer Pub­li­ka­tion beantwortet werden konnten.